12.04.2019

Orientieren, erinnern,teilhaben

Wie UK und moderne Technologie für Menschen mit Demenz eingesetzt werden kann
Foto: Mitarbeiterin im Tageszentrum und eine ältere Dame mit Demenz streicheln eine Plüsch-Katze

Selbständig leben – auch und gerade im hohen Alter – ist der Wunsch möglichst aller Menschen. „Damit das gelingt, ist es wichtig, dass wir uns innerhalb unseres Alltags möglichst gut orientieren können“, erzählt Thomas Burger, der sich als Pädagogischer Leiter bei LIFEtool in den letzten Jahren vermehrt mit dem Thema Demenz auseinandersetzt.

„Orientierung meint hierbei nicht nur die räumliche Orientierung, sondern auch das Zurechtfinden in zeitlicher Hinsicht und die Strukturierung der Handlungen also die Frage „Wie mache ich was?“, so Burger weiter.

Orientierung hat mit Wahrnehmung zu tun, die von bewusst und unbewusst ablaufenden Prozessen gesteuert wird. Bei dementiellen Erkrankungen sind u.a. diese Prozesse gestört und führen rasch zu Verunsicherung und zu Schwierigkeiten in der Kommunikation.

Die Hinweise aus der Forschung über Menschen mit dementiellen Erkrankungen deuten darauf hin, dass durch den Einsatz moderner Technologie vorhandene kognitive Fähigkeiten wieder aktiviert werden können, dass die Selbständigkeit gestärkt und die soziale Einbindung wieder gefördert werden kann.
LIFEtool beschäftigt sich mit folgenden Aspekten:

  • Aktivierung: Software/Apps für Konzentration, Gedächtnis
  • Unterstützte Kommunikation: für Personen mit schlechter/fehlender Lautsprache
  • Unterstützte Information: Information in einfacher Sprache und Bildern
  • Orientierung für Raum, Zeit und Handlung: Leitsymbole, Visuelle Zeitplaner, Handlungspläne
  • Umweltsteuerung: zur Verwendung des Fernsehers, Audiogeräten
  • Biografie: Erstellung von digitalen Fotoalben, Ich-Büchern

 
Ein Blick in die aktuelle Forschung bei LIFEtool
Die Biografie, also die persönliche Geschichte und die Kenntnis darüber sind wesentlich für das Verstehen eines Menschen, ganz besonders in der Altenpflege und bei Demenz. Die Erfahrungen und Werte der ersten 25 Lebensjahre spielen dabei eine besonders wichtige Rolle.
LIFEtool beteiligt sich am internationalen Projekt MI-Tale mit Partnern aus Österreich, Holland und Zypern. Es wird eine App entwickelt, die es spielerisch ermöglicht, Erinnerungen und Geschichten von Menschen mit Demenz zu sammeln, einerseits um Freude an der Aktivität zu haben und andererseits wichtige Impulse für die Pflege ableiten zu können.

Eigene Bilderbücher erstellen
KlickTool Literacy AAC ist ein Softwareprogramm von LIFEtool das entwickelt wurde, um Menschen ohne eigene Lautsprache in der Kommunikation zu unterstützen.
Das Programm enthält über 70 Bücher für Kinder und Erwachsene. Mit Hilfe des eingebauten Editors lassen sich auf einfache Weise eigene Bücher erstellen, was besonders für Menschen mit Demenz interessant ist, weil auf diese Weise persönliche Bilderbücher mit eigenen Fotos und Videos angelegt werden können. Bedient werden kann das Programm auch ganz einfach über einen Taster. Auch Gedichte, Gebete oder Lieder können auf diese Weise angeboten werden.

Tagesbetreuung Wels testet Hilfsmittel
„Tagsüber in anregender Gesellschaft – abends zurück in den eigenen vier Wänden“, so beschreibt Sylvia Boubenicek, die das Angebot der Tagesbetreuung im Haus für Senioren Wels leitet, die Einrichtung für Menschen mit Demenz im Diakoniewerk. Ältere Menschen, die zu Hause oder bei Angehörigen leben und Betreuung benötigen, finden bei der Tagesbetreuung im Haus für Senioren ganzheitliche Unterstützung. Orientieren, sich erinnern und letztlich auch einfach an der kleinen Gemeinschaft teilhaben, sind zentrale Themen.
In der Tagesbetreuung Wels finden die SeniorInnen Unterstützung bei der räumlichen wie der zeitlichen Orientierung. Symboltafeln visualisieren beispielsweise den Tagesablauf, die Aktivitäten und zeigen, wer was zu tun hat.
Thomas Burger weiß aus der langjährigen Beratungspraxis bei LIFEtool, wie wichtig es ist, die Selbstwirksamkeit der Menschen zu unterstützen. Er hat dazu einen Versuch gestartet und die Tagesbetreuung mit einem Fußmassagegerät ausgestattet. Wann immer die SeniorInnen Lust hatten, konnten sie das Gerät über eine einfache Taste starten und wieder stoppen. „Solche Massagegeräte sind sehr beliebt, doch häufig ist das selbstbestimmte Ein- und Ausschalten der Geräte eine Hürde. Eine Taste zu bedienen und damit das Gerät zu starten, konnten etliche Gäste intuitiv und auf Anhieb. Sich selbst ein angenehmes Massageerlebnis zu gönnen und zwar dann, wenn man es selbst möchte, wurde sehr gern angenommen“, berichtet Sylvia Boubenicek von der Tagesbetreuung Wels.
 
Auch ein zweites „Hilfsmittel“ wurde getestet – Plüschkatzen und Hunde-Babies, die verblüffend echt ausschauen und durch einen eingebauten Mechanismus sogar „atmen“. „Die kleinen Tiere haben praktisch alle berührt – allerdings nicht nur positiv. Das Streicheln erinnert an eigene Erfahrungen mit einem Haustier. Sie eignen sich, um an alte Erinnerungen anzudocken oder haben mitunter auch einen beruhigenden Effekt. Allerdings sind die Baby-Tiere zu leicht und zu wenig weich und werden daher nicht wirklich als Tier-Ersatz angenommen“, erläutert Boubenicek.
„LIFEtool greift auf über 20 Jahre Erfahrung im Bereich der Unterstützten Kommunikation für Menschen mit Behinderung zurück. Viele Methoden daraus sind erprobt und haben sich in der Praxis bewährt. Sie können auch Menschen mit einer dementiellen Erkrankung im Alltag unterstützen. Durch die Zusammenarbeit mit den Gästen der Tagesbetreuung des Diakoniewerkes erhalten wir wertvolle Erfahrungen und bekommen Hinweise, ob und wie sich Hilfsmittel gut im Alltag einsetzen lassen", fasst Burger zusammen.
 
Demenz geht uns alle an!
Menschen mit Demenz dürfen nicht auf den Verlust ihrer kognitiven Fähigkeiten reduziert werden. Sie sind mehr als ihre Demenz. Diakonie Österreich bezieht Stellung und stellt hilfreichen Informationen, Interviews und Reportagen zur Verfügung.