Kernvokabular üben mit dem kleinen Geist

Sätze oder Reime mit Kernvokabular-Wörtern vervollständigen

Schon öfters haben wir in den vorangegangenen UK-Tipps das Stichwort „Kern- und Randvokabular“ erwähnt. Doch was ist das genau und vor allem wie hilft es uns in der Praxis beim Kommunizieren mit Kommunikationsmappen oder Sprachausgabegeräten?

In der deutschen Sprache existieren ca. 32.000 Wörter, doch 80 % unserer Ausssagen lassen sich mit dem Kernvokabular von ca. 200 – 300 Wörter treffen. Vorrangig sind dies die sogenannten “kleinen Wörter” wie ich, du, auch, und, nicht, mit, bin, was usw. sowie einige Hilfsverben wie haben, möchten, können usw. ...

Die Kombinations- und Ausdrucksmöglichkeiten mit diesen Wörtern sind sehr vielfältig: ich kann nicht, ich kann das nicht, ich will nicht, willst du?, und du?, ich auch, du nicht! … usw.

Ein Beispieldialog:
A: „Was machst du heute?"
B: „Ich weiß noch nicht, und du?“
A: „Ich will schwimmen gehen, möchtest du auch?
B: „Ja, das ist eine gute Idee, das kann ich auch!“

Diese Unterhaltung besteht aus insgesamt 27 Wörtern, davon 25 (!) Wörter Kernvokabular, nur 2 Wörter davon, nämlich „schwimmen“ und „Idee“ zählen zum sogenannten Randvokabular (= inhalt-tragende oder themen-spezifische Wörter, meist Hauptwörter und Verben).

Das heißt, egal ob wir uns gegenseitig vom Urlaub, von einem Kinobesuch oder von einem anderen Ereignis erzählen, wir benutzen dabei größtenteils das Kernvokabular. Nach Baker et al. (2000) bestehen ca. 80 % des Gesprochenen aus den Wörtern des Kernvokabulars.

Auf Kommunikationstafeln und –oberflächen finden sich meist vorallem Hauptwörter u. Verben (= themenspezifisches Randvokabular), da diese Wörter auch sehr einfach abzubilden u. mit einfachen Symbolen darzustellen sind (zB schwimmen). Das Kernvokabular mit seinen nicht bild-produzierenden Worten (zB auch, nicht, bin,  …) ist eher schwieriger darzustellen, wird allerdings im Sprachgebrauch viel häufiger verwendet.

Das zeigt, dass es sehr wichtig ist, daß Kernvokabular auch in der Unterstützten Kommunikation zur Verfügung stehen und angewendet werden soll. Dies kann durch das sogenannte „Modelln“ passieren, dh das Umfeld verwendet die Kommunikationshilfe (Talker, Kommunikationsmappe, …)  auch selber, um dem UK-Nutzer zu zeigen, wo die Wörter zu finden sind und vorallem, wie sie eingesetzt werden können.

Foto: kleiner Geist

Eine witzige Idee, die Verwendung des Kernvokabulars zu üben, hat sich Monika Waigand überlegt: Der kleine Geist (eine fröhliche Fantasiefigur) bringt mit witzigen Reimgeschichten Unterstützt Kommunizierenden die Wörter des Kernvokabulars spielerisch bei.

Einige Bücher vom kleinen Geist stehen auf www.ukcouch.de gratis als PowerPoint zum Download bereit.

Und so funktioniert’s:
Ein Buch vom kleinen Geist downloaden, ausdrucken und zusammenheften (ev. laminieren u. mit Buchringen versehen). Die dazupassende GoTalk-Vorlagen herunterladen und ebenfalls ausdrucken, den GoTalk passend besprechen bzw. eine Seite auf dem Sprachausgabegerät (tobii, Dynavox, …) erstellen und schon kann das Buch gemeinsam gelesen werden. Jeweils das letzte Wort einer Seite kann dann mithilfe des Sprachausgabegerätes (zB GoTalk/tobii/, …) vom Nutzer ergänzt werden. So entsteht eine tolle Zusammenarbeit mit den lustigen Geschichten des kleinen Geistes.

Praxis-Tipps:

  • Die dazupassenden Vorlagen für GoTalk9+ mit METACOM-Symbolen finden Sie ebenfalls auf der www.uk-couch.de.
  • Ebenso einige passende Seiten für den Tobii Dynavox Communicator können Sie unter https://www.mytobiidynavox.com/PagesetCentral downloaden, nach kostenloser Anmeldung (Stichwort „Kleiner Geist“).
  • Natürlich können Sie die passenden Oberflächen auch am iPad erstellen, zB mit der App „GoTalkNow
  • oder Sie verwenden die Kommunikations-Apps wie zum Beispiel MetaTalk, oder andere
  • Die Geschichten vom kleinen Geist finden Sie auch in der neuen Version der bekannten LIFEtool-Software KlickTool Literacy AAC. Das heißt, alle Geschichten können auch in digitaler Form direkt am PC zusammen betrachtet werden. Mithilfe alternativer Eingabemöglichkeiten kann dann auch umgeblättert werden (Taster, Joystick, Trackball, Kopfsteuerung, Augensteuerung, …).
  • Auch andere Geschichten eigenen sich gut für Übungen mit dem Kernvokabular, zB „Von Kopf bis Fuß“ von Eric Carle – mit dem immer gleichen Satz aus Wörtern des Kernvokabulars „Kannst du das auch? – Ja, das kann ich auch!“
  • Weiters können Sie sich natürlich auch eigene Geschichten mit viel Kernvokabular einfallen lassen, um den/die NutzerIn dazu zu animieren, das Kernvokabular zu verwenden. Diese Geschichten lassen sich ganz einfach im KlickTool Literacy AAC erstellen, ansehen und als neue Funktion  sehr komfortabel ausdrucken, zur Verwendung als "richtiges" Buch!
Bild: GoTalk9+ mit Boardmaker
GoTalk9+ mit Boardmaker
Bild: GoTalk9+ mit MetaCom
GoTalk9+ mit MetaCom
Bild: tobii-communicator Seite
tobii-communicator Seite
Bild: KlickTool Literacy
KlickTool Literacy

Neugierig geworden? - Hier eine Kostprobe:

Der kleine Geist stellt sich vor

Das hier ist der kleine Geist,
ich weiß ja nicht, ob du es weißt:

Der kleine Geist, der schläft am Tag,
weil er die Sonne gar nicht mag.
Er wird ganz schwarz und furchtbar klein,
schaut er nur in die Sonne rein.

Dieses helle Sonnenlicht, 
mag er deshalb einfach nicht.
Doch scheint der Mond dann abends hell,
kriecht er aus seinem Bett ganz schnell.

Wäscht Hände, Po, Gesicht und Bauch,
und die Zähne putzt er auch.
Leider habe ich vergessen,
was Geister so zum Frühstück essen.

Machen tut er Allerlei,
ich denk mir: „Ach du dickes Ei!“
Er erschreckt die Leute vor dem Haus, 
und schwupps ist die Geschichte aus.

Bild: Kleiner Geist Geschichte

Literatur:

  • Handbuch für Unterstützte Kommunikation: Sachse, S./Boenisch, J. (2009): Kern-und Randvokabular in der Unterstützten Kommunikation: Grundlagen und Anwendung. In: von Loeper/ISAAC (Hrsg.): Handbuch der Unterstützten Kommunikation, Teil 1: Grundlagen, Karlsruhe.
  • Boenisch, Jens, Benjamin Musketa u. Stefanie Sachse (2007): Die Bedeutung des Vokabulars für den Spracherwerb und Konsequenzen für die Gestaltung von Kommunikationsoberflächen. In: Arendes, Silke, Cordula Birngruber und Stefanie Sachse (Hrsg.). Lernen und Lehren in der Unterstützten Kommunikation. Karlsruhe, 355 – 371.
  • Andreas, P./Gülden, M./Stahl, M. (2007): Der Elefant am Frühstückstisch. Oder: Von der Kraft einfacher, flexibler Wörter in der UK. In: Arendes, Silke, Cordula Birngruber und Stefanie Sachse (Hrsg.). Lernen und Lehren in der Unterstützten Kommunikation. Karlsruhe.
  • Handreichung „Unterstützte Kommunikation in Unterricht und Schule (Verlag Alfred Hintermaier), Hrsg: Staatsinstitut für Schulqualität u. Bildungsforschung (ISB), München
  • Sachse, S. (2007): Zur Bedeutung von Kern- und Randvokabular in der Alltagskommunikation. In: Unterstützte Kommunikation 3/2007, 6 – 10
  • Boenisch, J. und Sachse, S. (2007): Sprachförderung von Anfang an – Zum Einsatz von Kern- und Randvokabular in der frühen Förderung. In: Unterstützte Kommunikation 3/2007, 12 – 20.

PCS-Symbole mit freundlicher Genehmigung von Mayer-Johnson/Dynavox ©1981–2013 Mayer-Johnson LLC. 

METACOM-Symbole mit freundlicher Genehmigung von Annette Kitzinger 

Viel Spaß beim gemeinsamen "geistern" wünscht

Romana Malzer