Fokuswörter in der Unterstützten Kommunikation

Das Prinzip des Kern- und Randvokabulars wurde bereits in einem UK-Tipp näher ausgeführt. Hierbei geht es darum, dass in der täglichen Kommunikation vor allem Wörter des sogenannten Kernvokabulars (z.B. ich, auch, nicht) verwendet werden und das Randvokabular (=inhalt-tragende oder themen-spezifische Wörter, meist Hauptwörter und Verben) nur in einer speziellen Situation verwendet wird, um einen bestimmten Inhalt zu transportieren. Genauere Informationen dazu finden Sie im UK-Tipp: Kernvokabular üben mit dem kleinen Geist

Wie passiert die Vokabularauswahl?

Doch wie passiert die Vokabularauswahl für eine Unterstützt kommunizierende Person? Paul Andres, Brunhild Petersen und Meike Stahl (2013) sagen folgendes dazu: "Unterstützte Kommunikation unterscheidet sich in einem sehr wesentlichen Punkt von der natürlichen Sprachentwicklung: Sprechende Kinder folgen ihren eigenen Interessen. Sie erlernen und benutzen intuitiv die Wörter, die ihren Kommunikationsbedürfnissen und dem aktuellen Stand ihrer Sprachentwicklung entsprechen. Für jemanden, der unterstützt kommunizierend aufwächst, stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Nicht die Person selbst, sondern das Umfeld entscheidet, welche Wörter zur Verfügung stehen."

Als Elternteil, Betreuer oder sonstige Bezugsperson eines Unterstützt Kommunizierenden heißt das also, wir müssen selbst eine gute Auswahl an Wörtern treffen, die dem Anwender zur Verfügung stehen sollen. Laut Irene Leber (2012) müssen dazu folgende Aspekte betrachtet werden: Erstens muss man sich an den Interessen des Anwenders orientieren, denn wird ein Vokabular gewählt, mit dem er seine eigene Interessen ausdrücken kann, ist die Motivation zum Einsatz des Kommunikationshilfe höher als wenn das Vokabular dem Benutzer nicht zusagt. Zweitens ist das Umfeld des Benutzer zu beachten. Das heißt, welches Vokabular kann der Benutzer im Alltag einsetzen und was wird weniger benötigt. Drittens muss natürlich auch beachtet werden, welches Vokabular andere Menschen verwenden. Besonders wichtig ist hier natürlich Gleichaltrige zu betrachten; z.B. wenn der Benutzer ein 16-jähriger Junge ist: Welchen Vokabular verwenden andere 16-Jährige aktuell? 

Was sind Fokuswörter?

Nachdem die prinzipielle Vokabularauswahl erfolgt ist muss überlegt werden, wie dieses dem Benutzer beigebracht werden kann. Stefanie K. Sachse und Melanie Willke (2011) empfehlen hier das Konzept der Fokuswörter. Dieses umfasst im ersten Schritt eine Menge an etwa 100 Wörtern, die der Benutzer im ersten Schritt erlernen soll. Die gewählten Fokuswörter enthalten vor allem Kernvokabular (~ 70 Wörter). Dieses kann dann mit Randvokabular (~30 Wörter) ergänzt werden, das für den Benutzer wichtig ist (sh. oben: Vokabularauswahl). Von diesen Fokuswörtern rücken dann nach und nach immer 5-6 Wörter in den "Fokus", d.h. die Wörter werden in kleinen Blöcken (=Fokuswörterreihe) erlernt. Hierfür wird ein Zeitraum definiert (z.B. 4 Wochen), in dem diese 5-6 Fokuswörter verstärkt und möglichst vielfältig eingesetzt werden. Wichtig ist, dass diese wirklich konsequent verwendet werden. Nachdem dem definierten Zeitraum findet eine Evaluation statt. Hier wird von den Bezugspersonen (Lehrer, Eltern usw.) besprochen, ob und wie das Kind diese Wörter einsetzt. Wenn schon eine Imitation stattfindet und das Kind die Wörter schon selbst produziert und verwendet, können die nächsten Wörter in den Fokus rücken. Ist dies nicht der Fall, werden die gleichen Wörter nochmals im nächsten Zeitraum verwendet.

Wie das Kind diese Fokuswörter lernt und einsetzt, ist vom Kind selbst abhängig: Es können Gebärden, Symbolkärtchen, Kommunikationstafeln oder auch Kommunikationsgeräte verwendet werden. Wichtig ist, dass die Bezugspersonen das Kommunikationsmittel selbst auch verwenden und durch Vorzeigen – sogenanntes Modeln – das Kind dazu animieren, die Kommunikationshilfe auch zu verwenden.

Stefanie K. Sachse und Melanie Willke bieten mit folgender Liste einen Vorschlag, welche 100 Wörter als Vokabularauswahl verwendet werden können. Die hier beschriebenen Fokuswörter bestehen vor allem aus Kernvokabular und nur aus sehr wenig Randvokabular. Diese Liste orientiert sich an den Interessen der betreffenden Person, an der individuellen Sprachentwicklung sowie am aktuellen Vokabular gleichaltriger Kinder. Außerdem wurde darauf geachtet, dass sich die Wörter in den unterschiedlichen Fokuswörterreihen (FWR) auch beliebig miteinander kombinieren lassen.

Tabelle: Vorschläge Fokuswörterreihen
Tabelle: Vorschläge für Fokuswörterreihen nach Sachse&Willke (2011)

Beispiele für die Anwendung von Fokuswörtern

Hier werden Ihnen nun einige Ideen vorgestellt, wie Sie mit Fokuswörtern arbeiten können. Bitte vergessen Sie nicht, wie wichtig es ist, dass Sie beim Einsetzen der Fokuswörter modeln, d.h. dass auch Sie die Kommunikationshilfe verwenden (Gebärden, Symbolkärtchen, Kommunikationstafeln oder auch Kommunikationsgerät), um den Benutzer dazu zu animieren, seine Kommunikationshilfe zu verwenden bzw. die Wörter dort zu finden.

Beispiel 1: Buch ansehen ("Kannst du das auch?" von Eric Carle)

Anna kann bereits Wörter aus 2 Fokuswörterreihen einsetzen. Diese waren:
1  noch mal, fertig, nicht, wollen, schauen
2  ich, auch, mehr, haben
Nun soll der Benutzer die Fokuswörter aus der Reihe 3 lernen. Diese sind:
3  was, können, du, das, machen

Das Buch handelt von verschiedenen Tieren, die alle etwas Bestimmtes können. Es wird gefragt, ob der Unterstützt Kommunizierende das auch kann, z.B.: "Ich bin ein Pinguin und drehe meinen Kopf. Kannst du das auch? Das kann ich auch." Zusätzlich zu den Fokuswörtern wird hier das Wort "Tier" verwendet. 

Mit obigen Fokuswörtern können folgende Sätze gebildet werden (Fokuswörter werden in den Beispielen groß geschrieben, um diese hervorzuheben):

  • KANNST DU DAS AUCH?
  • DAS KANN ICH AUCH.
  • WAS KANN DAS Tier?
  • NOCH MAL SCHAUEN?
  • SCHAU, WAS DAS Tier KANN!
  • WAS MACHT DAS Tier?
  • Wie MACHT DAS Tier?
  • FERTIG. (= Ende der Aktivität)

 

Beispiel 2: Urlaubspläne diskutieren

Hier werden dieselben Fokuswörter wie in Beispiel 1 verwendet. Um die obigen Fokuswörter in einer neuen Variante zu wiederholen, wird nun zusätzlich das Wort "Urlaub" verwendet.

Folgende Sätze können verwendet werden:

  • WAS MACHST DU im Urlaub?
  • ICH MACHE im Urlaub ...
  • DAS MACHE ICH im Urlaub.
  • DAS MACHE ICH AUCH.
  • MACHST DU DAS AUCH?
  • KANNST DU DAS im Urlaub AUCH MACHEN?
  • ICH MACHE DAS AUCH im Urlaub.

 

Beispiel 3: Beim Kochen/Spielen/Malen/Basteln

  • WAS MACHST DU?
  • ICH MACHE DAS.
  • KANNST DU DAS?
  • KANN ICH DAS MACHEN?
  • SCHAU, ICH MACHE DAS!
  • Wer MACHT DAS?
  • Thomas, MACH DAS!
  • MACHST DU DAS, bitte?
  • SCHAU, ICH KANN DAS. 

Nachfolgend finden Sie Beispieloberflächen für GoTalk20+ mit herkömmlichen PCS-Symbolen bzw. ThinLine-Symbolen von Boardmaker. Diese Vorlagen können Sie unter www.boardmakerachieve.com gratis downloaden.

Weiters sehen Sie eine Vorlage mit Metacom-Symbolen für die GoTalk Now App. Diese Vorlage können Sie sich in der Online-Galerie in der GoTalk Now App selbst herunterladen (eine Anleitung finden Sie hier).

Schließlich finden Sie eine Tafel mit den Ikonensequenzen der Quasselkiste 60 des SmallTalkers (Minspeak) mit den oben verwendeten Fokuswörtern.

Fokuswörter am GoTalk20+ (PCS)
Fokuswörter am GoTalk20+ (ThinLine)
Fokuswörter in der App GoTalkNow
Fokuswörter am Smalltalker (Quasselkiste 60)

Literatur

Sachse S.K., Willke, M. (2011): Fokuswörter in der Unterstützten Kommunikation. Ein Konzept zum sukzessiven Wortschatzaufbau. In: Bollmeyer, H., Hallbauer, A., Hüning-Meier, M.: UK inklusive. Teilhabe durch Unterstützte Kommunikation, Karlsruhe, 2011, S. 375-394

Andres, P., Petersen, B., Stahl, M.: Wiederholen mit Variationen. Ein roter Faden in der UK-Förderung. In: Unterstützte Kommunikation, 1/2013, S. 6-13

Leber, I.: Wege der Vokabularauswahl in der Unterstützten Kommunikation. In: vonLoeper Literaturverlag: Handbuch der Unterstützten Kommunikation, Karlsruhe, 2012, S. 01.038.001-01.044.001

Viel Spaß wünschen

Romana Malzer & Claudia Pointner

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