Häufig gestellte Fragen zum iPad in der Unterstützten Kommunikation. Aus der Praxis von LIFEtool

Portraitfoto: junge Frau, LIFEtool Beraterin Romana Malzer

Das iPad spielt in der Unterstützten Kommunikation (UK) und in der Sonderpädagogik mittlerweile eine große Rolle. Vor allem im Österreich, wo die Finanzierung von Kommunikationshilfen auf Grund des fehlenden österreichweiten Rechtsanspruches für die Betroffenen mitunter sehr schwierig ist, ist das iPad eine vergleichsweise kostengünstige Alternative und wird deshalb immens nachgefragt. Das iPad ist auch tatsächlich eine gute Alternative für bestimmte Zielgruppen – aber nicht für alle. Aus der Beratungspraxis in den LIFEtool-Beratungsstellen haben wir ein Set an Fragen zusammengestellt, die immer wieder rund um die Verwendung von iPads als Sprachausgabegerät auftauchen.

Dieser Beitrag erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist eine Sammlung häufig gestellter Fragen, die LIFEtool Beraterin Romana Malzer zusammengestellt hat.

  1. Muss es ein Apple-iPad sein oder kann ich auch ein anderes Tablet verwenden?
  2. Welches iPad soll ich kaufen?
  3. Wie kann ich das iPad vor äußeren Schäden schützen?
  4. Wie kann ich das iPad vor (un)absichtlichen Einstellungsänderungen o. ä. schützen?
  5. Kann ich die Touch-Bedienung des iPads für motorisch eingeschränkte NutzerInnen anpassen?
  6. Wie kann ich das iPad verwenden, wenn ich den Touch- Bildschirm nicht bedienen kann?
  7. Wie kommt der/die NutzerIn vom Wischen zum Tippen?
  8. Gibt es auch so etwas wie sprechende Tasten am iPad ähnlich dem „Step-by-Step“?
  9. Welche Apps können mit einem externen Bluetooth-Taster bedient werden?
  10. Kann ich einstellen, dass der/die NutzerIn nur gewisse Apps verwenden kann und auf die anderen keinen Zugriff hat?
  11. Wie sieht die Finanzierungssituation in Österreich für Kommunikationshilfsmittel und im Speziellen für das iPad aus?
    Literatur und Links 

1. Muss es ein Apple-iPad sein oder kann ich auch ein anderes Tablet verwenden?

Für andere Tablet-PCs (Windows- oder Android-basiert)gibt es einerseits kaum deutschsprachige UK-Apps (z. B. MetaTalk DE oder GoTalk Now sind nur für das iPad verfügbar) und andererseits wenig Hilfsmittel-typisches Zubehör, wie zB Schutzhüllen, Halterungen etc. Vorteile, die das iPad von Apple bietet:

  • App-Vielfalt: Für das iPad sind zurzeit die meisten Apps verfügbar. Besonders für den Bereich der UK und der Sonderpädagogik gibt es bei den anderen Anbietern noch kaum vergleichbare Angebote. 
  • Qualität der Apps: Die Qualität der angebotenen Apps ist meist sehr gut, weil jede App erst von Apple geprüft wird, bevor sie zum Kauf verfügbar ist. Daher können auch keine Viren auf das iPad gelangen, da nur zuvor geprüfte Apps installiert werden können.
  • Verfügbares Zubehör: Für das iPad gibt es viel nützliches Zubehör wie z. B. Schutzhüllen oder (Rollstuhl-)Halterungen. Auch an Lösungen für Fingerführraster für die gängigsten UK-Apps wird bereits gearbeitet.
  • Bedienungshilfen: Das iPad bietet sehr viele Einstellungen, um die Bedienung des Tablet-PCs zu erleichtern, beispielsweise die Scanning-Möglichkeit durch Taster, die Einstellung der Touch-Bedienung oder auch den Geführten Zugriff.
  • Einheitlichkeit: Es gibt nicht unendlich viele Modelle und Betriebssystem-Varianten wie für andere Tablets. Das macht die professionelle Arbeit mit dem iPad wesentlich einfacher und einen breitflächigen Austausch mit den vielen anderen UserInnen erst möglich. 

2. Welches iPad soll ich kaufen?

Grundsätzlich ist zu sagen: je neuer, desto besser, da neue Geräte von Seiten Apple länger unterstützt werden, z. B. mit Updates. Zurzeit gibt es drei unterschiedliche Größen von iPads am Markt:

  • das iPad Mini 4 mit 7,9 Zoll
  • das iPad 5 mit 9,7 Zoll
  • das große iPad Pro mit 12,9 Zoll

Es ist empfehlenswert, ein Gerät mit 128 GB Speicherplatz zu kaufen (keinesfalls weniger als 64 GB), da Speicherplatz am iPad nicht nachgerüstet werden kann. Mehr Speicherplatz könnte nötig sein, wenn Sie viele Videos, Musik und Fotos am iPad speichern möchten. Für die Tonqualität interessant: Die beiden iPad Pro-Modelle haben vier Lautsprecher, alle anderen Modelle haben nur einen.

Wichtig ist auch, ob W-LAN als Internetzugang für den/die NutzerIn ausreichend ist (die Wi-Fi-Funktion hat jedes iPad) oder ob mobiles Internet via SIM-Karte gewünscht wird (Modell mit Cellular wählen). 

3. Wie kann ich das iPad vor äußeren Schäden schützen?

Es gibt mittlerweile verschiedenste stoß- und/oder wasserfeste Schutzhüllen sowie Halterungssysteme. Besonders beliebt bei unseren KlientInnen sind u.a.

folgende Hüllen:

  • Big Grips FRAME/LIFT/SLIM (sehr stoßfest, inklusive Ständer, verschiedene Modelle)
  • Griffin Survivor (stoßfest, mit Schutzfolie, lt. Hersteller wasserfest)
  • Defender Case Otterbox (stoßfest, mit Schutzfolie) 

Auf dem UK-App-Blog sind viele Hüllen aufgeführt, teilweise mit Videos oder/und Links zu Bezugsquellen.

Oft ausgesuchte Halterungen für Tisch oder Rollstuhl sind z. B.:

  • LIGHT-3D-Halterungen von REHAdapt engineering
  • Monty-Halterung mit TAB-TITE von REHAdapt engineering
  • MagicArm mit TAB-TITE 

4. Wie kann ich das iPad vor (un)absichtlichen Einstellungsänderungen o. ä. schützen?

Wenn Menschen mit Behinderung das iPad verwenden, kann es passieren, dass sie – absichtlich oder unabsichtlich – in den Einstellungen landen und Einstellungen verändern. Oder sie öffnen den App-Store und

kaufen irrtümlich eine App. Auch die in vielen (Gratis-) Apps enthaltenen „In-App-Käufe“ sind eine „Gefahrenquelle“ für nicht gewünschte Käufe.

Das iPad selbst bietet einige tolle Einstellungen, wie man dies verhindern kann. Empfohlen wird, sich u.a. mit folgenden Einstellungen auseinander zu setzen:

  • Ausschalten der Gesten
  • Sperren des Home-Buttons durch den „Geführten Zugriff“ (d. h. NutzerInnen können eine geöffnete App nicht mehr selbstständig verlassen)
  • Einschränkungen aktivieren (z. B. Apps löschen/ kaufen/In-App-Käufe)

Ausführliche Beschreibung zum Setzen dieser Einstellungen finden Sie im LIFEtool-App-Tipp „Hilfreiche Einstellungen am iPad“. 

5. Kann ich die Touch-Bedienung des iPads für motorisch eingeschränkte NutzerInnen anpassen?

In den Einstellungen des iPads unter „Allgemein“ > „Bedienungshilfen“ gibt es „Touch-Anpassungen“. Hier können für NutzerInnen, die Probleme bei der Bedienung des Touch-Bildschirms haben, Einstellungen vorgenommen werden, um diese zu erleichtern.

Folgende Einstellungen können hier getroffen werden:

  • Haltedauer
  • Wiederholung ignorieren
  • Tipp-Assistent

Nähere Informationen dazu finden Sie im LIFEtool-App-Tipp „Hilfreiche Einstellungen am iPad“. 

6. Wie kann ich das iPad verwenden, wenn ich den Touch- Bildschirm nicht bedienen kann?

Hier bieten die Einstellungen am iPad die Möglichkeit, das iPad per Scanning zu bedienen – entweder es wird der Bildschirm als Taster verwendet oder externe Tasten, die via Bluetooth mit dem iPad verbunden werden können, z. B.: New Blue 2 Switch, iSwitch oder der Applicator samt Taster. 

7. Wie kommt der/die NutzerIn vom Wischen zum Tippen?

Die Wisch-Geste ist oft bekannt, da NutzerInnen gerne Fotos auf den Smartphones der Eltern oder anderen Bezugspersonen ansehen. Sobald eine Kommunikationsoberfläche am iPad eingesetzt werden soll, muss der/ die NutzerIn das gezielte Tippen lernen. Es gibt viele Apps, mit denen das am iPad geübt werden kann:

Hier nur zwei Beispiele:

  • SoundTouch oder Video Touch
    In SoundTouch/Video Touch werden am Bildschirm zwölf Dinge (Tiere, Musikinstrumente, Fahrzeuge usw.) angezeigt. Wenn auf eines getippt wird, wird ein Foto angezeigt und das Geräusch oder Video dazu abgespielt. Auch hier bringt Wischen den/die NutzerIn nicht weiter – nur das Tippen auf ein Bild löst etwas aus.
  • TouchMe Pairs Pro Eine Variation des beliebten Spiels „Paare finden“ ist TouchMe Pairs Pro. 

8. Gibt es auch so etwas wie sprechende Tasten am iPad ähnlich dem „Step-by-Step“?

Gerade für KommunikationseinsteigerInnen kann es spannend sein, das iPad ähnlich einer sprechenden Taste zu verwenden, um ganz rasch und einfach z. B. in der Schule, am Arbeitsplatz von den Erlebnissen des Wochenendes zu berichten, beispielsweise:

  • TapSpeak Sequence Standard:
    Diese App funktioniert wie ein „Step-by-Step“-Gerät. Ein Foto wird bildschirmfüllend angezeigt, durch Tippen darauf wird die aufgenommene Nachricht abgespielt und automatisch zum nächsten Bild gewechselt. Mehrere solcher Bild-Ton-Nachrichten können hintereinander aufgenommen und wieder abgespielt werden und so kann erzählt werden.
    Eine weitere tolle Anwendungsidee ist z. B. Bilderbücher mit dem iPad abzufotografieren und den Text dazu aufzunehmen, dann kann der/die AnwenderIn das Bilderbuch „selbständig“ ansehen und hören. 

9. Welche Apps können mit einem externen Bluetooth-Taster bedient werden?

Für diese Apps muss ein Taster via Bluetooth verbunden werden (siehe Frage 6).

Tipp: Alle hier gelisteten Apps funktionieren mit den Signalen „Space“ und „Enter“.

  • TouchMe PuzzleKlick Pro:
    Wird eine Taste bzw. der Bildschirm berührt, wird ein Stück eines Bildes freigelegt. Ist das ganze Bild aufgedeckt, wird ein Geräusch/Video abgespielt (eigene Bilder/ Videos/Aufnahmen möglich!).
  • TapSpeak Sequence:
    Ähnlich zum Gerät „Step-by-Step“. Siehe Frage 8.
  • GoTalk Now:
    Der „GoTalk“ am iPad ist eine tolle App, mit der individuelle Kommunikationsoberflächen erstellt werden können (mehr Infos dazu in den App-Tipps).
  • Predictable Deutsch:
    In dieser App wird geschriebener Text in synthetische Sprache umgewandelt. 

10. Kann ich einstellen, dass der/die NutzerIn nur gewisse Apps verwenden kann und auf die anderen keinen Zugriff hat?

Legen Sie nur die Apps, die der/die NutzerIn verwenden soll, auf eine Seite. Im nächsten Schritt müssen Sie das Wechseln zwischen den Seiten (Wisch-Geste) ausschalten.

Ganz Ausschalten ist nicht möglich, jedoch kann die Wisch-Geste mit Hilfe des Tipp-Assistenten erschwert werden (siehe Frage 5).

Wenn Sie den Tipp-Assistenten auf „Ersten Berührungspunkt verwenden“ schalten und als Gestenverzögerung“ 1 sec einstellen, muss eine Sekunde lang auf eine Stelle getippt werden, um eine Wisch-Geste ausführen zu können und anschließend muss gewischt werden. Das ist eine motorische Herausforderung, ganz abgesehendavon, dass es auch ein bisschen Geduld braucht, die Sekunde (oder auch länger) zu warten, bis gewischt werden kann. 

11. Wie sieht die Finanzierungssituation in Österreich für Kommunikationshilfsmittel und im Speziellen für das iPad aus?

Es gibt keinen österreichweiten Rechtsanspruch auf Hilfsmittel für die Unterstützte Kommunikation – sei es ein Step-by-Step, ein GoTalk, eine Augensteuerung oder ein iPad. Welche Krankenkasse bei welchem Hilfsmittel wie viel finanziert (wenn überhaupt), ist je nach Kasse und Bundesland unterschiedlich. Um Geräte zu finanzieren, müssen die Betroffenen oder deren Angehörige bei deren Krankenkassen sowie verschiedenen öffentlichen und privaten Stellen oder auch Vereinen ansuchen. Das kann ein mühsamer und langwieriger Weg sein, bis ein Hilfsmittel schlussendlich finanziert ist – wobei auch dann oft ein Selbstbehalt offen bleibt. Wenden Sie sich für Informationen an eine LIFEtool-Beratungsstelle in Ihrer Nähe. 

Zum Weiterlesen empfohlen:

  • UK kreativ – Wege in der Unterstützten Kommunikation
    Hallbauer A., Hallbauer T., Hüning-Meier M. (Hrsg.), Dortmund, 2013
  • UK wird erwachsen – Initiativen in der Unterstützten Kommunikation
    Antener G., Blechschmidt A., Ling K. (Hrsg.), Dortmund, 2015
  • Einander verstehen lernen – Ein Praxisbuch für Menschen mit und ohne Autismus
    Hallbauer A., Castañeda C., Holtenauer Verlag, Kiel, 2013
  • Unterstützt kommunizieren und lernen mit dem iPad
    Hallbauer A., Kitzinger A. (Hrsg.), Dortmund, 2014
  • UK und iPad?! 
    Fachzeitschrift Unterstützte Kommunikation, Heft 4/2012
  • Tablets im UK-Einsatz 
    Fachzeitschrift Unterstützte Kommunikation Heft 4/2015